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„[…] und die Donau rauschte dazwischen herauf – und es war alles, alles gut!“

Joseph von Eichendorff aus „Aus dem Leben eines Taugenichts“

Seit 1992 ist die Wachau für mich ein Sehnsuchtsort.

Nicht New York.

Nicht San Francisco.

Krems.

Ich bin immer wieder an den Donaustränden entlang gegangen, und durch die Dörfer. Ein paar Rollen Film in der Tasche, habe in Melk und Weißenkirchen und Krems und im Venus-Heurigen und in Gottsdorf viel des wirklich vorzüglichen regionalen Weines getrunken und mich daran erfreut, ihn nicht in Supermärkten in Wien finden zu können: ein Grund, wiederzukommen in die Wachau und wieder ein paar Rollen Film einzustecken. Weingut Prager, Weingut Mang, Weingut Holzapfel… was für Namen, was für Weine…

Viele der Erzählungen meines verstorbenen Freundes Thomas Lichtherz hatten mit der Wachau zu tun. Viele Anekdoten. Ein paar Liebeleien. Thomas ist jedes Jahr nach Wien gefahren, aber seine heimlichen Liebschaften hatte er in der Wachau. Ein paar Male durfte ich mit ihm reisen. Und die Wachauerinnen sind immer schöner gewesen als alle Frauen in Hannover, die er dort kannte. Wirklich schöne Frauen gibt es in Hannover kaum.

Mich fasziniert, wie geschlossen und in sich ruhend die Welt dort ist in der Wachau.  Eine friedvolle Landschaft, die von den Menschen respektiert wird. Von den Menschen, die dort leben. Sie gehen rücksichtsvoll mit ihrem Land um.

Und Touristen werfen nicht ihren Müll in die Gegend, sondern verhalten sich betrachtend, manchmal in regelrechte Andacht über die Schönheit um sie herum versunken.

Wenn sie partout Dosenbier trinken müssen, bringen sie es mit und nehmen die leeren Dosen wieder mit um sie anderswo zu entsorgen oder an anderen Orten aus dem Zugfenster zu werfen. Die internationalen Züge halten nicht in der Wachau, was der Gegend gut tut.

Wenn photographiert wird, scheint dies dort langsamer vor sich zu gehen als in anderen Teilen der Welt. Die Wachau ist ein analoger Weltenteil.

Selten sehe ich hektische Selfie-Jünger in der Wachau unterwegs. Selbst die Asiaten sind entspannt. Niemand kreischt, wenn er ein Selbstportrait von sich dort aufgenommen hat.

Jeder sieht sofort, daß er hässlicher ist als die umgebende Landschaft. Kein Grund zum Kreischen.

Die Wachau ist von einem lebendigen Christentum geprägt. Sie liegt fern ab der lärmenden, grellen, aggressiven Komponente, die der Islam inzwischen in fast alle Gegenden Europas getragen hat.  Es ist nicht vorstellbar, daß in der Wachau der häufigste Jungenname „Mohammed“ ist. Es ist nicht vorstellbar, daß in der Wachau arabische Clans die Bevölkerung terrorisieren. Die Wachau ist ein sanfter Teil der Erde.

Ich muß gestehen, dies gefällt mir.  

„Es lebe Jesus“

ist mir lieber als „Alluah Akhbar.“

Die Wachau ist voller Beispiele für die Anziehungskraft des Katholizismus.

Die Landschaft ist faszinierend. Sie ist einerseits heiter und hell; sie trägt aber auch jede Menge düsterer Züge in sich, die mich ansprechen. Die Wachau ist unermeßlich vielfältig und hat die Kraft, jede Seelenregung anzutreiben.

Ihre zahlreichen Kirchen sind hell und düster zugleich. Es gibt eine große Zahl von fast museumsreifen Automobilen im Straßenbild. Es gibt rührende Heiligenfiguren am Wegesrand.  Es gibt wundervoll lebendige Menschen.

Die Wachau ist voller Kunstprojekte. Kaum ein Ort, in dem kein regionaler Künstler seine Arbeiten vorstellt.

Die Gassen sind eng, aber heimelig.

Die Schatten sind dunkel und kühlend.

Sie sind bisweilen menschenleer.

Die Donau ist schön, aber auch gefährlich. Eine typische Frau. Sie ist überall.

Die Burgtürme der Wachau erheben sich stolz. Manche Touristen sind mit ihrem Anblick überfordert. Sie sagen „Ohah. Wie schön.“ Um dann wieder abzureisen.

Schönheit braucht dauerhafte Betrachtung.

Die Schönheit der Heiligenscheine bleibt ein Rätsel ihnen immerdar.

In der Wachau stehen dort, wo in Deutschland Gartenzwerge stehen, christliche Kunstwerke im Grün.

Die Höfe sind weit. Die Schatten schattig. Die Ruhe ist groß und tief.

Ich habe selten so sonnige Sonne und so tiefe Schatten erlebt wie in der Wachau. Ab und zu in Kroatien. Aber das ist lange her. Und Kroatien ist weit weg.

Wenn Menschen auf meinen Bildern in der Wachau auf der Straßen gehen: dann sind sie alleine.

Alleine sein: Ein gutes Lebenskonzept.

Jedes Dorf ist ein Gottesdorf. Gott hält seine Hand über die Menschen, die alleine über die wachauerischen Straßen gehen.

Warum nur sind in der Wachau die Kirchen immer besonders schön angestrahlt vom Firmament? Kirchen liegen immer im Sonnenstrahle dort.

Die Wachau ist die Gegend der schönen Fenster.

Der Schönen Aussichten. Der dunklen Einsichten.

Der Menschen, die wie friedliche Tiere schönen Ausssichten hinab entgegen laufen. Hand in Hand. Ehepaare, die sich seit Jahrzehnten kein ehrliches Wort mehr geschenkt haben. Aber sie sind in Urlaub.  Sie gehen nach dem Aussichtenlaufen in das Restaurant

Zum Goldenen Reichsadler

Der Opel Omega.

Die lange Stadtmauer, die kein Tourist durchzulaufen durchhält.

440 Meter.

Im Hintergrund stets: Radfahr-Touristen.

Im Vordergrund: Alte Rolls Royce.

Der lange Weg.

Der lange Kirchengang.

Das rauhe Gestein.

Kirchenturm als Phallussymbol?

Ach nein Dr. Sigmund Freud. Hier nicht.

Die heilgende Hand des Johannes.

Die heilende Hand des Winzerberges.

Die heilende Hand der katholischen Kirche.

Die heiligende Wirkung des Wassers.

Die Wachau ist voller wundervoller Lokale. Guter Wein. Gutes Essen. Für Veganer kein Paradies.

Feine kleine Hotels.

Wenige Reklametafeln in der Landschaft, die allerdings immer noch für Eternit und BHs werben. Ein wenig aus der Zeit gefallen ist die Wachau.  Gegendert wird dort nicht. Nichts wie immer wieder dort hin…

Rainer Strzolka, Krems, Dezember 2021

Rainer Strzolka (°1956, Berlin, Germany) makes photos, drawings, sculptures and performances. By referencing romanticism, grand-guignolesque black humour and symbolism, Strzolka creates work in which a fascination with the clarity of content and an uncompromising attitude towards conceptual and minimal art can be found. The work is aloof and systematic and a cool and neutral imagery is used.

His photos sometimes radiate a cold and latent violence. At times, disconcerting beauty emerges. The inherent visual seductiveness, along with the conciseness of the exhibitions, further complicates the reception of their manifold layers of meaning. With a subtle minimalistic approach, he seduces the viewer into a world of ongoing equilibrium and the interval that articulates the stream of daily events. Moments are depicted that only exist to punctuate the human drama in order to clarify our existence and to find poetic meaning in everyday life.

His practice provides a useful set of allegorical tools for manoeuvring with a pseudo-minimalist approach in the world of photography: these meticulously planned works resound and resonate with images culled from the fantastical realm of imagination. By emphasising aesthetics, he creates work through labour-intensive processes which can be seen explicitly as a personal exorcism ritual. They are inspired by a nineteenth-century tradition of works, in which an ideal of ‘Fulfilled Absence’ was seen as the pinnacle.

His works are often classified as part of the new romantic movement because of the desire for the local in the unfolding globalized world. However, this reference is not intentional, as this kind of art is part of the collective memory. Rainer Strzolka currently lives and works in Krems, Austria.

Rainer Strzolka uses analog cameras from Leica, Nikon, Mamiya and Rollei and prefers Kono films.